Von Anfang an dabei - Gregor Kiermayer ist seit 25 Jahren bei der gfi
Die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) feiert dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Gregor Kiermayer, der seit der Gründung des Unternehmens am Standort Bamberg-Coburg dabei ist, gibt in einem Interview Einblicke in seine langjährige Tätigkeit. Er reflektiert über die Veränderungen in der Organisation, die Herausforderungen, denen er begegnet ist und seine Erfolge.
gfi: Gregor, die ersten Fragen bietet sich an, wenn wir über 25 Jahre gfi sprechen: Wie lange bist du schon bei uns, und was hat dich bewogen, hier anzufangen? Oder warst du schon vor der Gründung dabei?
Gregor Kiermayer: Ich begann tatsächlich vor der Gründung. Ursprünglich kam ich von der VHS aus der beruflichen Bildung und hatte bereits praktische Erfahrungen. Ich wechselte zum bfz, da ich dort mehr Möglichkeiten sah. Damals, um 1993, war die Gründung der gfi noch nicht im Gespräch. Bald danach begannen wir, soziale Dienstleistungen anzubieten, Erziehungsbeistandschaften EZB und sozialpädagogische Familienhilfen SpFh. Ich glaube, dies war eine Initialzündung für die Gründung. Wir haben gesehen, dass wir in diesem Bereich mit unseren Mitarbeiter*innen, jungen engagierten Sozialpädagog*innen, die flexibel und aufsuchend arbeiten, mit unseren Angeboten die soziale Landschaft gut unterstützen können. Es war eine aufregende Zeit, es herrschte Aufbruchstimmung. Und ich bin seit Anfang an mit der EZB Nummer zwei in Coburg dabei.
gfi: Nach 25 Jahren haben sind auch die jungen enthusiastischen Sozialarbeiter älter geworden und haben sich verändert. Wie hat sich die Organisation deiner Meinung nach im Laufe der Jahre mit ihnen zusammen verändert?
G. K.: Die Organisation hat sich enorm verändert, ebenso wie die soziale Dienstleistungs-Infrastruktur und das gesamte Umfeld. Wir arbeiteten schon damals eng mit den Schulen zusammen, aber die Schulen, die Schüler haben sich verändert. Dadurch braucht man einen anderen Zugang und einen anderen Ansatz. Man kann die Gegenwart in den sozialen Arbeit nicht mehr mit damals vergleichen.
Früher waren viele unserer Mitarbeiter*innen Berufsstarter von der Hochschule und bereit, in Situationen zu gehen, die nicht so planbar sind. Dies erforderte Flexibilität und manchmal auch Arbeit am Wochenende und abends außerhalb der „normalen“ Arbeitszeiten.
Von KollegInnen wurden wir gefragt, was wir da überhaupt machen, mit Jugendlichen spazieren gehen und das noch abends. Das sei ja Freizeit. Wir haben lange dafür gekämpft, dass diese flexible Arbeit genauso angesehen wird wie die Arbeit in den klassischen Bürozeiten.
Trotzdem war das eine tolle Zeit, die klassische sozialpädagogische Arbeit unter dem Dach eines Bildungsträgers zu machen. Die Mischung, fand ich immer sehr gut. Durch meine Arbeit beim bfz hatte ich Kontakte zu Firmen zu denen ich meine Klient*innen vermitteln konnte. Gerade diese Synergie hat das Arbeiten mit Familien, mit Jugendlichen auf ein höheres Niveau gehoben. Wir haben das toll aufgestellt mit anderen Möglichkeiten als andere Beratungsstellen.
gfi: Und wie ist es heute?
G. K.: Heute ist es schwieriger. Um 2003 waren wir ein Team von 15 SozialpädagogInnen plus freie MitarbeiterInnen, die flexible Erziehungshilfe leisteten. Als Koordinator konnte ich Anfragen des Jugendamtes innerhalb eines Tages besetzen. Heute müssen wir jünger werden und engagierte junge Leute halten, was teilweise sehr individuelle Lösungen erfordert und gute Anleitung.
gfi: Fehlt es an Ressourcen?
G. K.: Ja, aber ich glaube, dass wir MitarbeiterInnen gewinnen und in Arbeitsfelder führen können, in denen sie sich am Anfang gar nicht gesehen hätten. Das war bei uns auch so, viele wussten nicht, was sie erwartet. Doch der erste Schritt vor 25 Jahren war klasse!
gfi: Du hast bereits angedeutet, welche Herausforderungen du während deiner Tätigkeit hattest. Vielleicht bei der Zusammenstellung von Teams? Gibt es noch weitere? Wie hast du diese damals bewältigt? Welche Herausforderungen begegnen dir heute in deinem Arbeitsalltag?
G. K.: Damals überwand ich die Herausforderungen hauptsächlich durch viel Enthusiasmus und eine positive Einstellung, indem ich auf Menschen zugegangen bin. Damals war es die sozialpädagogische Familienhilfe. Wir hatten 60 sehr intensive Fälle zu betreuen. Es war eine Herausforderung, das zu managen.
Momentan haben wir ein Projekt namens "Wissen Werte Wir -W³", bei dem wir wieder sehen, wie wichtig es ist, dass wir Leute haben, die massiv Teamfähig sind und die auch an völlig neue Herausforderungen unvoreingenommen, aber engagiert herangehen. Ein Vorteil ist, dass die anderen Standorte in Bayern sehr kooperativ sind. Wir brauchen uns nicht alles alleine zu eruieren, sondern kann auf Kolleg*innen zugehen.
Andererseits ist es eben so, dass wir auch hier ganz flexible Arbeitszeiten haben müssen. Wir arbeiten Abend oder an den Wochenenden mit den jungen Erwachsenen. Das muss der Arbeitgeber sehen, und es müssen auch Kolleg*innen sehen, dass das keine Freizeit, sondern professionelle soziale Arbeit ist, die genauso zählt wie ein Sprachkurs, eine BvB oder andere Bildungsangebote.
gfi: Man merkt, dass du mit viel Engagement bei der Sache bist. Und dass dir die Maßnahmen, die du umgesetzt hast auch wichtig sind. Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
G. K.: Ich erinnere mich gerne an die Hilfen, die wir für Jugend und Familie in Stadt und Land angeboten haben. Wir hatten nur für die gfi ein Stadtbüro in Coburg, was sehr zentral und gut erreichbar war. Von dort aus boten wir auch Nachhilfe an. Das war eine gute Arbeitsmöglichkeit und hatte eine positive Außenwirkung.
Bei der Gelegenheit möchte ich mich bei meinem damaligen Leiter Klaus Kainath bedanken. der das wirklich auch menschlich top geführt hat. Dass wir diese Hilfen für das Amt für Jugend und Familie, Verfahrenspflegschaft, Nachhilfe und vieles mehr von diesem Stadtbüro aus anbieten konnten, das war gut und wird mit immer sehr positiv in Erinnerung bleiben.
gfi: Die Nähe zu den Menschen ist also entscheidend!
G. K.: Genau, die Nähe und der direkte Kontakt zu den Auftraggebern, den Menschen, der Stadt und allen anderen Netzwerkpartnern ist sehr wichtig. Das macht die gfi aus. Bei der W³ Zertifizierungsfeier von der gfi Rosenheim habe ich gesehen, wie toll die mit der Community umgehen und da vernetzt sind, auf Menschen zugehen, mit Menschen was bewegen.
Wir müssen zwar mit neuen Medien umgehen können, aber dieser individuelle Kontakt wird uns erhalten bleiben, ist unsere tägliche Arbeit und unser Kapital.
Im Vergleich zu anderen Trägern sind 25 Jahre nicht viel. Durch die persönliche Netzwerkarbeit haben uns unsere Projekte hier in Oberfranken und den nördlichen Landkreisen uns über die Jahre viel Renommee gebracht und auch unsere Schulprojekte haben uns bekannt gemacht. Es war anfangs schwer für die gfi, sich zu positionieren. Auch weil teilweise das Orangene ins Grün reingezogen wurde und die Projekte dem bfz zugesprochen wurden. Klar sind wir ein Tochterunternehmen des bfz, aber jetzt haben wir einen festen Stellenwert in der Region.
gfi: Hast du eine konkrete Erfolgsgeschichte im Kopf, in der ihr einer Familie oder einer Einzelperson geholfen habt?
G. K.: Es gibt viele Geschichten, aber es gibt eine die für mich heraussticht: Ich hatte in „ComeBack“, einem Programm für suchtkranke Menschen, einen jungen Mann, den die Bewährungshilfe zu uns gebracht hat. Durch mein Netzwerk bei den lokalen Unternehmen und auch bei der Arbeitsagentur ist die Begleitung des jungen Mannes sehr gut gelaufen und er konnte eine Ausbildung mit viel begleitendem und krisenbewältigendem Coaching abschließen.
Niemand hätte das in dieser Zeit und auf nachhaltige Weise so erreicht wie wir, weil wir die Klient*innen einfach in ein engmaschiges Netzwerk aus Sozialpädagog*innen, örtlichen Behörden und potentiellen Arbeitgebern einbetten können.
gfi: Nun, wir haben nach außen geschaut, jetzt lass uns ein wenig nach innen blicken. Was kannst du uns über die Arbeitskultur erzählen? Gibt es etwas, das du schwierig findest und was schätzt du am meisten?
G. K.: Früher war es schwierig, Akzeptanz für eine flexible Arbeitsweise zu finden, die mit traditionellen Arbeitszeiten kollidierte. Jetzt hat sich das gebessert. Unser Angebot ist vielfältig. Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, was wir neben den bestehenden Angeboten in Zukunft noch anbieten werden oder bestehende Angebote immer von Neuem auf die aktuellen Anforderungen anzupassen.
Unsere Arbeitsklima ist zielorientiert. Wir unterstützen uns gegenseitig und arbeiten gemeinsam an den Projekten. Es gibt natürlich Herausforderungen, wenn man in einem großen Team arbeitet, aber das Wichtigste ist, gemeinsam die beste Lösung zu finden und die Zusammenarbeit in den Vordergrund zu stellen.
Unsere Werte sind eigentlich in den Konzepten festgeschrieben, aber es sind die Menschen, die diese Werte leben. Wir haben in den letzten 25 Jahren gute Rückmeldungen erhalten. Wir sind offen für Neues und innovative Konzepte. Wir sehen die Bedarfe und entwickeln dafür neue Angebote, neue Projekte. Das habe ich bei anderen Trägern so nicht erlebt. Was mich am meisten begeistert, ist die Möglichkeit, verschiedene Zielgruppen und Problemstellungen anzugehen.
gfi: Was würdest du einem neuen, jungen Kollegen raten, der voller Enthusiasmus bei der gfi anfängt?
G. K.: Ich würde raten, flexibel zu sein und sich Herausforderungen zu stellen. Flexibilität für sich selbst, dass man die Aufgaben auch annimmt. Denn man wächst mit seinen Aufgaben. Es ist wichtig, offen zu sein, Krisen aktiv durchzustehen und gute Zeiten zu positiv zu nutzen. Auch sollte man die Kontaktmöglichkeiten pflegen aus den verschiedenen Bereichen, die wir bei der gfi und auch den bfz haben, Wissen und Erfahrungen einzuholen. Außerdem ist es wichtig, Kontakte zu pflegen und im Team zu arbeiten.
gfi: Was denkst du über die Zukunft der gfi? Was sind die Herausforderungen, die in den nächsten 25 Jahren auf uns zukommen könnten?
G. K.: Die Frage ist, ob wir größere Lösungen oder flexiblere Dienstleistungen anstreben. Ich glaube, dass in den nächsten 25 Jahren flexible soziale Dienstleister gefragt sein werden, die situativ professionell auf neue Anforderungen reagieren können. (z.B. Lehrer-Unterstützung/Qualifizierung)
Wir müssen uns auch darauf einstellen, dass Menschen trotz zunehmenden Individualismus nach sozialen Kontakten suchen. Das müssten wir dann im Endeffekt bedienen oder Defizite wieder grade biegen können. Das heißt, wir, wenn wir weiterhin so am Puls der Zeit sind, wie zum Beispiel mit diesem Crystal Meth Projekt „ComeBack“, dann werden wir nicht nur gut zu tun haben, sondern wirklich auch als gute Arbeitgeber engagierten MitarbeiterInnen interessante Arbeitsfelder bieten können
gfi: Abschließend, wie fühlt es sich für dich persönlich an, Teil dieses Unternehmens zu sein, das seit 25 Jahren das Leben von Menschen beeinflusst und verbessert?
G. K.: Für mich war die gfi in den letzten 25 Jahren ein sehr passender Ort. Ich hatte das Glück, interessante Menschen zu treffen. Das Unternehmen hat mir Flexibilität und viele Entwicklungsmöglichkeiten geboten, immer viel Neues mit bewährten „Tools“.
Der Gedanke, dass ich im Gesamtunternehmen auch nach Passau oder sonst wo in Bayern gehen könnte, rein theoretisch mit demselben Vertrag, oder sogar in Kiel arbeiten könnte, fand ich immer horizonterweiternd. Als Idee hat mir das vielleicht über manche schwierigen Zeiten geholfen, auch wenn ich es nicht gemacht habe. Das einfach ein großes Gesamtunternehmen, und ich denke, wir haben gut zusammengearbeitet.
Ich habe die Zusammenarbeit mit anderen Standorten sehr geschätzt. Wir könnten jedoch die interne Zusammenarbeit immer noch weiter fördern.
gfi: Gregor, vielen Dank für das Gespräch.