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W³ - Wissen, Werte, Wir

Farbe bekennen zur Stärkung kultureller Integration und Gleichberechtigung - Interview mit Dr. Petra Loibl, MdL, zum Thema interkulturelle Integration und das gfi Projekt W³ (W hochDrei)

Petra Loibl (MdL Bayern) steht zusammen mit drei Schülerinnen, die das Zertifikat als W hoch drei Wissenträgerinen in den Händen halten.

Das Projekt W hochDrei (W³) trägt dazu bei, dass junge Menschen sich zu eigenverantwortlich denkenden und handelnden Persönlichkeiten entwickeln können. Das Ziel ist es interkulturelle Integration und Gleichberechtigung zu fördern. Junge Menschen insbesondere mit Migrationshintergrund setzen sich im Projekt mit ihren jeweiligen Identitäten und Wertvorstellungen auseinander. Sie werden zu Multiplikator*innen ausgebildet. Diese „W³issensträger*innen“ tragen Impulse zu demokratischen Werten und die Diskussion über die eigene Identität, Herkunft, Religion, Weltanschauung oder sexuelle Orientierung in ihre Peergroup hinein, zu Jugendlichen in Schulen und Jugendeinrichtungen. In ihrem Umfeld setzen sie sich für Menschenwürde und Grundrechte ein.

Über das Projekt in den Landkreisen Landshut und Dingolfing-Landau, welches dort von der Projektleiterin Gudrun Zollner am gfi-Standort Landshut geleitet wird, sprachen wir mit der Unterstützerin des Projekts, Dr. Petra Loibl, Mitglied des Bayerischen Landtags.

 

die gfi: Frau Loibl, Sie sind in den letzten Jahren tief involviert in dem Projekt W hochDrei am Standort Landshut. Wie sind Sie auf das Integrationsprojekt aufmerksam geworden und was hat Sie dazu bewogen, sich am gfi Standort Landshut zu engagieren?

Dr. Petra Loibl, MdL: Die gfi ist mir sehr vertraut und liegt mir am Herzen. Durch einen ständigen Austausch in verschiedenen Bereichen, insbesondere in der Seniorenarbeit, und durch den engen Kontakt zur Projektleiterin, Frau Gudrun Zollner, wurde ich auf das W hochDrei Projekt aufmerksam. Es war eine Kombination aus meiner Bekanntschaft mit der gfi, Frau Zollner und der Notwendigkeit, bei Integration und Wertevermittlung unterstützend tätig zu sein. Der Einsatz für diese Themen war für mich stimmig. Ich war neugierig und habe mich entschieden, dann ab Frühjahr 2022 hier zu unterstützen.

 

die gfi: Sie sind tief in der bayerischen Politik verwurzelt. Das Projekt steht für interkulturelle Integration, Gleichberechtigung und ein gewaltfreies Zusammenleben auf Augenhöhe. Wie sehen Sie die Rolle dieses Projektes in der aktuellen gesellschaftlichen Landschaft Bayerns?

Loibl: Aus meiner Arbeit im Petitionsausschuss weiß ich, dass es in der Integrationsarbeit viele Herausforderungen gibt, aber es ist unsere Pflicht, sensibler und offener zu werden. Es reicht nicht aus, nur ein sicheres Dach über dem Kopf zu bieten; die eigentliche Arbeit in der Gesellschaft beginnt erst danach.
Gerade angesichts aktueller Entwicklungen, wie der Migration 2015 sowie aktuell dem Krieg in der Ukraine, ist es essentiell, die Gesellschaft zu sensibilisieren und zu öffnen. Es geht darum, andere in der Gesellschaft aufzunehmen und zu halten. Wir müssen uns als Gesellschaft offener und toleranter zeigen, nicht nur über Wertevermittlung sprechen, sondern diese auch aktiv leben und vermitteln.
Zusätzlich gibt es noch einen Aspekt in der Integrationsarbeit und Wertevermittlung, den ich wichtig finde und den ich durch die Arbeit unserer Sozialminsterin (Staatsministerin Ulrike Scharf, Anm. d. gfi.) und der Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuss des Landtags kennenlernen konnte. Das sind die Rechte von sexuellen Minderheiten. Ich denke, es ist gut, dass über W hochDrei auch an der Stelle eine Brücke geschlagen werden kann und anerkannt wird, dass Geflüchtete auch aufgrund ihrer sexuellen Neigung im Ursprungsland verfolgt werden und fliehen. Es ist unsere Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu leisten und ihnen zu vermitteln, dass sie hier keine Angst haben müssen.
 

die gfi: Haben Sie vor Ort in Ihren Wahlkreisen, Dingolfing-Landau und Landshut bereits konkrete Maßnahmen von W³ miterleben können?

Petra Loibl (MdL Bayern) steht zusammen mit drei Schülerinnen, die das Zertifikat als W hoch drei Wissenträgerinen in den Händen halten.Loibl: Im Sommer, gegen Ende des Schuljahres, durfte ich an meiner Heimatschule, dem Gymnasium in Landau an der Isar, zusammen mit Gudrun Zollner Zertifikate an fünf Schülerinnen überreichen. Diese jungen Damen, drei mit und zwei ohne Migrationshintergrund, haben eine Trainingsphase durchlaufen und treten nun als Wissensvermittlerinnen auf.
Das Besondere an diesem Projekt ist der offene Austausch, bei dem die Jugendlichen sich in einer lockeren Umgebung öffnen und Fragen stellen können. Diese fünf Schülerinnen haben das während des Schulfestes eindrucksvoll vermittelt. Es war inspirierend zu sehen, wie sie ihre Altersgenossen einluden, sich über gesellschaftliche Themen auszutauschen.

 

die gfi: Können Sie uns noch von weiteren Projekten erzählen?

Loibl: Ein weiteres Vorhaben steht Ende September an. Ich werde eine Gruppe von Besuchern im Landtag betreuen, darunter eine Gruppe von der FOS BOS aus Landshut und eine Integrationsvorklasse. Es wird spannend sein, mit ihnen das Herzstück der bayerischen Demokratie zu teilen und ihnen zu zeigen, wie Gesetze entstehen und wie die Volksvertreter arbeiten. Besuchergruppen bieten immer eine großartige Gelegenheit zum Austausch und zur Klärung von Fragen. Ich freue mich darauf, in diese Gruppe einzutauchen und das bayerische Parlament zu erklären.

 

die gfi: W³ ist in Landshut noch recht jung und wurde durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. Wie würden Sie den bisherigen Erfolg des Projekts bewerten, sowohl regional als auch bayernweit? Und welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft des Projekts, auch finanziell?

Loibl: Ich hatte die Gelegenheit, mich mit unserer Integrationsbeauftragten, Frau Gudrun Brendel-Fischer, auszutauschen. Sie ist bayernweit mit dem Thema Integration unterwegs und hat mir zu W³ Positives berichtet.  
Die bereitgestellten 160.000 Euro sind nicht enorm. Aber als Abgeordnete haben wir die Aufgabe, den Haushalt zu beraten und zu beschließen. Um Projekte wie W³ zu fördern, benötigen wir greifbare Argumente und Erfolge, um weitere Mittel zu beantragen. Integration kann nur gelingen, wenn wir auf das Ehrenamt zurückgreifen können. Dazu braucht es auch finanzielle Unterstützung. Die gfi hat gezeigt, dass sie weiß, wie sie den Bedarf adressieren muss, um eine dauerhafte Finanzierung sicherzustellen. Solche Projekte sollten langfristig angelegt sein, um tiefer in der Gesellschaft zu greifen und nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

 

die gfi: Das bedeutet, für solche Projekte ist die Öffentlichkeitsarbeit wichtig, um den Geldgebern die positiven Auswirkungen zu zeigen?

Loibl: Öffentlichkeitsarbeit ist von zentraler Bedeutung. Wir müssen über unsere Aktivitäten sprechen und sie nach außen tragen. Es ist wichtig, die Öffentlichkeit über die Bedeutung solcher Integrationsprojekte zu informieren. Wenn man gute Arbeit leistet, sollte man darüber sprechen. Professionelle Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in den sozialen Medien, ist heute unerlässlich.

 

die gfi: Gute Öffentlichkeitsarbeit soll nicht nur die Geldgeber erreichen. Wie wichtig ist es, die Kultur und Werte unseres Landes an die Menschen, die zu uns kommen, weiterzugeben?

Loibl: Es ist von entscheidender Bedeutung. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen unsere Kultur und Werte kennenlernen. Projekte wie W³ betonen die Wichtigkeit demokratischer Werte und eines gewaltfreien Zusammenlebens von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen. Es geht nicht nur darum, Regeln und Vorschriften zu vermitteln, sondern auch die Werte, die zwischen den Zeilen stehen. Das Projekt bietet eine großartige Plattform für jüngere Menschen, um diese Werte zu lernen und in ihre Familien und Peergroups zu tragen. Es ist eine geniale Idee und genau das, was wir brauchen.

 

die gfi: In Anbetracht der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und in Bayern, insbesondere des Rechtsrucks, sehen Sie den Bedarf für solche Projekte auch für Jugendliche ohne Migrationsgeschichte?

Loibl: Ja, ich sehe diesen Bedarf definitiv. Die Wertevermittlung sollte auch unabhängig vom Migrationsthema betrachtet werden. In unserer sich schnell verändernden Gesellschaft, in der traditionelle Familienstrukturen und Wertevermittlungen oft verloren gehen, ist es wichtig, solche Projekte für Jugendliche aus der autochthonen Bevölkerung anzubieten. Es wäre sinnvoll, solche Projekte in Schulen zu integrieren, um über demokratische Werte und gesellschaftliche Normen zu diskutieren.

 

die gfi: Welche Hürden sehen Sie bei der Integration von Menschen mit nicht-deutschem kulturellem Hintergrund in Bayern?

Loibl: Eine der größten Hürden ist sicherlich die Sprache. Ohne Sprachkenntnisse ist es schwierig, sich in der Gesellschaft zu integrieren. Ein weiteres Problem, das ich feststelle, ist die nachlassende Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten in der Bevölkerung im Vergleich zu den Jahren 2015/16. Viele Menschen haben Angst vor Überforderung und sind besorgt über die wachsende Zahl von Geflüchteten. Diese Ängste werden oft von rechten Gruppierungen geschürt, die populistische Parolen verbreiten. Gegenargumente zu einem solchen Populismus könnte gerade der Fachkräftemangel liefern und die Tatsache, dass wir Zuwanderung und Arbeitskräfte brauchen, um den Wohlstand in Deutschland zu sichern. Es ist wichtig, den Menschen, die zu uns kommen, berufliche Perspektiven zu bieten und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

die gfi: Wie sehen Sie die Rolle von Projekten wie W³ in diesem Kontext?

Loibl: Projekte wie W³ sind von zentraler Bedeutung, um die Integration zu fördern und Vorurteile abzubauen. Sie bieten eine Plattform für den Austausch und die Auseinandersetzung mit kulturellen und demokratischen Werten. Solche Projekte müssen wir unterstützen und weiterentwickeln, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.

 

die gfi: Die Geschichte hat uns gezeigt, dass wir in Deutschland die Herausforderungen, welche die Zuwanderung mit sich bringt ganz gut meistern können. Beispielsweise die vielen positiven Erfahrungen mit der Integration von sogenannten Gastarbeitern. Dafür braucht es einen politisch-gesellschaftlichen Rahmen. Wie sehen Sie die Rolle des Bayerischen Landtags und insbesondere der CSU-Fraktion bei der Unterstützung und Gestaltung von Integrationsprojekten wie W³?

Loibl: Es stimmt, die Gastarbeiterzuwanderung in den 60er, 70er und 80er Jahren ist ein gutes Beispiel für gelungene Integration. Heute haben wir jedoch andere Herausforderungen und Möglichkeiten. Im Bayerischen Landtag haben wir als CSU-Fraktion die Möglichkeit, solche Projekte finanziell und inhaltlich zu unterstützen. Wir sind in Regierungsverantwortung und möchten dies auch weiterhin sein. Unsere Arbeit in den Ausschüssen ermöglicht es uns, Projekte wie W³ voranzutreiben. Es ist wichtig, die richtigen Prioritäten zu setzen und das Steuerzahlergeld sinnvoll einzusetzen. Die Dachmarke "Youth Empower Yourself", unter der wir in Bayern etliche Projekte zur kulturellen Integration vereinen, ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir die Fördersumme erhöhen konnten, um die Integration von Jugendlichen zu unterstützen.

 

die gfi: Wie sehen Sie die Zukunft des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen in Bayern?

Loibl: Es wird sicherlich Anstrengungen erfordern, insbesondere aufgrund der Ängste und möglichen Überforderungen in der Gesellschaft. Aber ich bin zuversichtlich, dass es funktionieren wird. Ich glaube, dass es in Zukunft, so wie heute auch, weiterhin normal sein wird, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen in Vereinen und am Arbeitsplatz zusammenarbeiten, Bayern zusammen gestalten. Dafür müssen wir uns weiterhin einsetzen und daran arbeiten. Mit der richtigen Unterstützung und Projekten wie W³ können wir eine offene und freie Gesellschaft sein, in der alle gut miteinander auskommen.

 

die gfi: Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Loibl.