Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) zielt darauf ab, benachteiligte Jugendliche in ihrer persönlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule schafft eine zugängliche und vertrauliche Anlaufstelle für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte.
Frau Mohr, wie unterstützen Sie die Schüler*innen an der Anton-Kliegel-Mittelschule und was sind Ihre Hauptaufgaben als Jas-Kraft?
Luisa Mohr: Meine Aufgaben lassen sich grundsätzlich in zwei Bereiche unterteilen: die Einzelfallhilfe und die Gruppenarbeit, wobei die Einzelfallhilfe den größeren Teil ausmacht. Dabei unterstütze ich Schüler*innen bei ganz individuellen Problemlagen, wie Schulangst, Mobbing oder familiäre Konflikte.
Meistens suchen die Kinder von sich aus den Kontakt zu mir, sei es direkt im Gang, durch Klopfen an meiner Bürotür oder über das Chat-Portal unserer Schule. Manchmal werden sie auch von Lehrkräften oder Eltern zu mir geschickt. Ich stehe den Kindern unterstützend und beratend zur Seite und sie können mir erzählen was sie beschäftigt. Mir ist wichtig zu betonen, dass meine Arbeit der Schweigepflicht unterliegt. Das gilt auch gegenüber den Lehrkräften, da ich über die Jugendhilfe nicht direkt an der Schule angestellt bin. Das nimmt den Schüler*innen natürlich die Hemmungen, offen zu sprechen.
Ich biete auch Hausbesuche an. Denn für manche Kinder ist es unangenehm, in mein Büro zu kommen oder von mir aus dem Unterricht geholt zu werden. In solchen Fällen schlage ich vor, die Familie einfach zu Hause zu besuchen. In ihrem gewohnten Umfeld fällt es den Jugendlichen und auch den Eltern oft leichter offen zu sprechen. Je nach Thema arbeite ich mit anderen Institutionen zusammen. Beispielsweise stehe ich in einzelnen Fällen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten eines Kindes im Austausch.
Neben dieser Einzelarbeit gibt es die Gruppenarbeit. Angenommen eine Lehrkraft schildert mir ein Problem, das eine gesamte Klasse betrifft, dann erarbeite ich gemeinsam mit diesen Schüler*innen ein Projekt zu dem Thema. Das kann beispielsweise ein Anti-Mobbing-Projekt, Sozialkompetenz- oder Medienkompetenz-Training sein.
Warum ist die JaS Ihrer Meinung nach so wichtig für die Entwicklung junger Menschen, die soziale Herausforderungen erleben?
Luisa Mohr: Das familiäre und soziale Umfeld eines Kindes hat bekanntermaßen einen großen Einfluss auf die schulische Laufbahn und seinen Erfolg. Genau hier setzt das freiwillige Angebot der Jugendsozialarbeit an und soll Benachteiligungen, wie fehlende Unterstützung zu Hause, soziale Ausgrenzung oder Lernschwierigkeiten, ausgleichen.
Gerade im Jugendalter stehen viele Höhen und Tiefen an, und oft haben junge Menschenzu Hause keine Bezugsperson. Selbst wenn Eltern da sind, sind diese in dem Alter häufig nicht die ersten Ansprechpartner*innen. Deshalb ist es für die Jugendlichen sehr hilfreich, in der Schule eine neutrale Person zu haben, an die sie sich jederzeit wenden können. In den letzten eineinhalb Jahren bin ich zu einer solchen Ansprechpartnerin für viele hier an der Mittelschule geworden.
Das Schöne an JaS ist, dass die Hemmschwelle und der Aufwand gering sind. Im Gegensatz zu externen Beratungsstellen bin ich direkt vor Ort an der Schule, und die meisten kennen mich bereits. Das ist einfacher, als offiziell einen Termin bei einer Beratungsstelle zu vereinbaren. Deshalb ist Jas ein wichtiges, niedrigschwelliges Konzept, mit dem ich viele Probleme schon frühzeitig abfangen kann, bevor sie eskalieren.
Warum haben Sie sich für die Jugendsozialarbeit als Ihren ersten Job entschieden?
Luisa Mohr: Grundsätzlich mag ich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sehr. Während meines Studiums –Soziale Arbeit in Würzburg – habe ich mehrere Praktika in verschiedenen Bereichen gemacht. Dabei bin ich aber immer an der Kinder- und Jugendhilfe hängen geblieben. Da bietet sich die Mittelschule natürlich perfekt an. Das Altersspektrum der Schüler*innen ist groß, was die Arbeit sehr abwechslungsreich und vielseitig macht. Wir haben sowohl Zehnjährige als auch 16-Jährige, die natürlich ganz unterschiedliche Problemlagen und Anliegen mitbringen.
Jeder Tag ist unvorhersehbar – ich weiß morgens nie, was tagsüber auf mich zukommt. Es können Kriseninterventionen sein, bei welchen unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, oder auch die Unterstützung bei der Klärung kleinerer Konflikte unter Freund*innen. Dabei bleibt mir ganz viel Gestaltungsspielraum. Ich darf die meisten Projekte komplett selbst gestalten und kann entlang der Vorgaben eigene Ideen umsetzten. JaS ist dadurch wie gesagt eine sehr vielfältige und spannende Arbeit.
Was an diesem Berufsfeld motiviert Sie besonders?
Luisa Mohr: Es motiviert mich diese jungen Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und mitzuerleben, wie sich Probleme lösen. Das Ziel das mich antreibt ist es den Jugendlichen zu helfen und ihnen den Schulalltag zu erleichtern.
Die Jugendsozialarbeit ist außerdem eine sehr wichtige erste Anlaufstelle für viele Anliegen. Diese große Bedeutung und Wichtigkeit meiner Arbeit motivieren mich auch. Es macht einfach Spaß etwas Gutes zu tun und Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte zu unterstützen.
Gemeinsam finden wir beispielweise heraus, welche Beratungsstelle individuell zu einem Kind passt. Ab und zu begleite ich die Jugendlichen auch zu Erstgesprächen. Das Zusammenspiel dieser verschiedenen Institutionen finde ich besonders wichtig und es erfüllt mich, Teil dieses Netzwerks zu sein und gemeinsam Lösungen zu finden.
Können Sie ein prägendes Erlebnis aus Ihrem Berufsalltag mit uns teilen, welches Sie besonders bewegt hat oder Sie als Ihren „größten“ Erfolg bezeichnen würden?
Luisa Mohr: Da muss ich tatsächlich etwas nachdenken. Mir fällt jetzt nicht der eine große Erfolg ein. Was mich bewegt ist einfach das große Ganze: dass Kinder freiwillig auf mich zukommen und die Eltern mittlerweile auch offen sind. Es freut mich, dass ich niemanden zwingen muss Unterstützung anzunehmen.
Viele verschiedene Erlebnisse sind mir dabei im Kopf geblieben: Ich denke da zum Beispiel an einen Schüler, der Anfang dieses Schuljahresmit einer massiven Angststörung zu mir kam. Er hat sich mehrere Wochen krankgemeldet und wollte die Schule nicht mehr betreten. Mittlerweile sind wir weit gekommen. Er besucht die Schule fast schon wieder gerne und hat auch einige Freunde gefunden. Es freut mich einfach ihn auf diesem Weg begleiten zu können.
Viel bedeutet hat es mir auch als wir die Neunt- und Zehntklässler*innen letztes Jahr mit einer kleinen Abschlussfeier verabschiedet haben. Es war richtig cool zu sehen, wie die Jugendlichen, die ich bei ihren Höhen und Tiefen begleitet habe, auf der Bühne standen und stolz ihre Zeugnisse in der Hand hielten. Vor einiger Zeit sind diese Schüler*innen vorbeigekommen, um die Lehrkräfte hier an der Mittelschule zu besuchen. Zu mir haben sie dann gesagt: „Frau Mohr, dürfen wir Sie umarmen?“. Das hat mich berührt.
Es sind eben diese kleinen Momente und Gesten, die mir in Erinnerung bleiben.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Jugendsozialarbeit an Schulen?
Luisa Mohr: Ich wünsche mir, dass die Offenheit noch weiter zunimmt. Oft bringen Eltern die JaS mit dem Jugendamt in Verbindung, was unnötige Hemmungen und Ängste erzeugt. Damit wird der Zugang zu wertvoller Unterstützung für manche erschwert. Ich hoffe, dass sich das ändert und mehr Leute ohne Bedenken zu mir kommen.
In Zukunft sollte es ganz normal sein, dass jede Schule eine JaS-Kraft hat, an die sich Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern jederzeit wenden können.